Für diese Überschrift war keine Zeit

Die Facharbeit als Symbol der Entmenschlichung der nächsten Generation

Was fängt mit “F” an und ersetzt die gesamte Freizeit durch Arbeit für die Schule? Nein, ich meine nicht unseren Schülersprecher.

Die Facharbeit ist eine Art wissenschaftlicher Aufsatz, den Schüler*innen der elften Klasse (in G8) innerhalb von sechs Wochen zu einem vorher festgelegten Thema schreiben müssen. Diese fünfzehnseitige Recherchearbeit wird bewertet, Thema und Bewertung wird auf dem Abiturzeugnis abgedruckt und die Arbeit ist daher von großer Wichtigkeit.

Sie muss in der ohnehin schon knappen Freizeit einer/eines jeden Schülerin/Schülers entstehen. Nebenbei werden Klausuren und Tests geschrieben und es gibt Hausaufgaben wie zuvor. Auch ohne eine Facharbeit ist die Oberstufe hart, Zeit zum Lernen oder für Hausaufgaben ist oft nur am Wochenende gewesen. Nun werden Schüler*innen noch stärker beansprucht.

Warum existiert diese Folter, die abwechselnd Stress, Panik, Druck und schlechte Noten erzeugt? Der Sinn der Facharbeit ist es, den Schüler*innen das wissenschaftliche Arbeiten näherzubringen und sie auf “richtige” Facharbeiten im Studium vorzubereiten. Über den Schreibzeitraum lernen Schüler*innen, zu recherchieren, zu zitieren, und das intensive Beschäftigen mit einem bestimmten Thema.

Per se ist das etwas gutes, allerdings zeigen die Rahmenbedingungen, dass hier die Oberstufe kaputtoptimiert worden ist: Plötzlich muss nichtvorhandene Zeit für eine wichtige Langzeitarbeit aufgewendet werden. Eines ist dabei zu beachten: Der Aufwand ist größer, als “nur” 15 Seiten Volltext. Der Text muss belegt sein, und gerade bei spannenden Themen ist die Gefahr, vom Thema gefesselt die eigentliche Arbeit zu vernachlässigen, groß. Einen Eigenanteil, wie etwa eigene Forschungen, mit einzubringen, scheint nahezu unmöglich. Klar leidet darunter der Unterricht beziehungsweise die Unterrichtsvorbereitung, und vor allem die Psyche gerade derjenigen Schüler*innen, denen die Disziplin fehlt, die Arbeit schon weit vor dem Abgabetermin beendet zu haben. “Diese 6 Wochen sind die schwersten Wochen der gesamten Oberstufe” hat mir mein freundlicher Tutor bestätigt.

Was also tun dagegen? Es entsteht, von außen betrachtet, der Eindruck, als hätte ein*e Verantwortliche*r den Zeitplan für die Oberstufe geschaffen, ein*e zweite*r die Inhalte, und als hätte dann ein*e dritte*r die geniale Idee gehabt, den Schüler*innen einen auf ihr späteres Leben vorbereitenden Gefallen zu tun, dabei aber vergessen, mit besagten anderen Entitäten zu kollaborieren. Das Ergebnis ist eine Extrabelastung ohne ausgleichende Entlastung durch staatliche Vorgaben - die Lehrer*innen selbst, das muss dazugesagt werden, bemühen sich redlich, soweit möglich zu entlasten, und dafür sind auch alle Schüler*innen dankbar. Es wäre falsch, Panik zu verbreiten, Unmut und Frustration an den falschen Stellen abzulassen. Öffentliche Forderungen an die Politik, Demonstrationen, Wahlen oder Gespräche mit Verantwortlichen bringen dauerhaft weiter.

Für uns ist es aber schon zu spät. Es gibt nur noch eins: Durchhalten um jeden Preis. Wir Schüler*innen müssen einen kühlen Kopf bewahren, die Zeit noch besser einteilen und strukturiert in dieser Arbeitszeit voranschreiten. Das ist auch ein Teil der Erziehung durch die Schule und bereitet vor. Die Frage ist: Muss das sein? Soll das so sein? Sollen Schüler*innen aus der Schule mitnehmen, dass ihr ganzes Leben aus zeitlichem Leistungsdruck besteht, und dass zwischenmenschliche Aktivitäten und Freude am Leben Zeitverschwendungen sind, die die eigene Arbeitseffizienz beeinträchtigen? Die Persönlichkeiten, die aus den 6 Wochen und den gesamten zwei, oder sogar acht/neun Jahren entstehen, könnten Maschinen werden, die auf Leistung ausgelegt sind, und sich nur noch mit anderen Menschen und Aktivitäten umgeben, wenn sie von diesen profitieren. Zum Glück passiert das nicht, weil sich die Schüler*innen im Inneren dagegen wehren, sich nicht unterkriegen lassen. Die meisten. Größtenteils.

Oder?